Gestern noch Jugofilm gesehen. Mich gefragt, ob wohl an deutschen Schulen heutzutage über den Kosovokrieg gesprochen wird. Überhaupt, wo findet da eigentlich eine Aufarbeitung statt?
Aufarbeitung? In welche Richtung meinen Sie? In Richtung Kriegsrechtfertigung mit "KZ-Bildern". Ich frage, weil, wenn man die NATO-Bomben infragstellt, gibs auch heute und gleich en empörtes Gesicht. Zu stark und prägend war wohl damals der Mediendruck, zu glaubwürdig und empört Scharping und Fischer, so dass es zur Selbstverständlichkeit werden musste, dass von Rotgrün ein Angriffskrieg mitgetragen wurde, den ersten deutschen nach 45. Tja, jetzt haben wir den Mythos eines gerechten Krieges und der wird nicht so schnell aus den Köpfen zu kriegen sein. Jeder Lehrer, der es versuchen würde, hätte es sicher sehr schwer, ich könnte mir auch vorstellen, dass er Ärger bekäme, wie der Lehrer aus Giessen, der mit Beginn des aktuellen Irak-Kriegs seine Stelle verlor, weil er gegen den Krieg argumentierte. Edit: Hinweis: Meine Frage oben will ihnen nichts unterstellen.
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Es geht mir durchaus nicht um Rechtfertigung. Es ist genau das Problem, dass dieser Krieg als selbstverständlich gerecht und notwendig gilt. Wenn man fragt warum, dann kommt die Antwort:"Um einen Völkermord zu verhindern" oder die Frage "Hast du denn die Bilder nicht gesehen?". Aber fragt man die Leute weiter, was sie eigentlich über den Krieg und das zustandekommen wissen, dann hört es sehr oft auf. Stille. Gespenstisch. Wie kann es sein, dass die Leute fast nichts über diesen Krieg wissen, der gerade mal sechs Jahre her ist? Ich habe mir auch nur mühsam mein Wissen aus dem Netz zusammengesucht, hätte aber gerne mehr Informationen. Wenn man mehr wüsste, mehr über die Ursachen forschen würde, dann ließen sich vielleicht einige zukünftige Konflikte verhindern.
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Mehr Informationen, gutes Thema. Es gibt auch ein paar Bücher, eigentlich gibt es viel, ich habe 2002 mal eine Reihe Links vorgestellt, die sehr informativ waren, diese Postings sind aber leider nicht mehr im Netz. Wahrscheinlich kann es eine wirklich relevante Aufarbeitung erst geben, wenn die vom Bürgerkrieg betroffenen Menschen ihr Leid, ihre Geschichte und die Vebrechen unvoreingenommen erforschen, auf beiden Seiten.Auf beiden Seiten ist gut. Es gab ja noch andere Opfer im Kosovo. Die Roma zum Beispiel, die im Kosovo kultiviert waren, denen aber alles genommen wurde und die dort heute als die Parias zwischen den Ethnien leben müssen, auch weil sie hier trotz vorbildlicher und langjähriger Integration kein Bleiberecht bekommen.
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den irakkrieg mit dem jugoslawienkrieg gleichzustellen ist allerdings kühn. ein kosovokrieg kommt noch, wenn die kosovofrage nicht bald mal gelöst wird. und der angriff war schon ok, wie sonst das morden beenden. beim verhandeln ist milosevic allen lang genug auf der nase herumgetanzt. so dummheiten wie der vance-owen plan, der auf einmal nach ethnien sortiert hat und familien zerrissen hat, der leute erst dazugebracht hat, nachzudenken, ob sie nun serbe oder bosnier sind, das war richtig problematisch. die fehler waren erst danach.
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"der angriff war schon ok". genau das meinte ich! gut noch einmal auf den punkt gebracht. danke!
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der fall stellt sich etwas anders:
Srebrenica im sommer 1995 war und konnte nicht hingenommen werden. wie lange hat es gebraucht bis scharping und fischer den arsch hochgekricht haben?
da war der zeitpunkt gekommen ohne rücksicht auf verluste die tornadas fliegen zu lassen mit grausamster härte. was wäre da allen erspart geblieben.
ich hatte da später ma ein zitterwolf-streitgespräch mit einem türkischen nichtradikalen fundamentalisten, der behauptete europäer würden den moslems nicht helfen.
ich hab ihm versichert sie werden.
leider viel zu spät und da ist der punkt radikaler kritik anzusetzen und nicht bei nato-angriffskrieg.
ich darf dran erinnern, wo sich der krieg nach mazedonien versuchte ausbreiten, deutsche truppen das beherzt verhindert haben.
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ach und bytebaby
der lehrer der wegen des irakkrieges seine stellung verlor:
hier wurde während der schulstunden mit lehrern zur irakdemo gepilgert und alle lehrer sind noch in amt und würden.
nich irgendwas rauspicken und verallgemeinern.
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Ich finde es grundsätzlich sehr fragwürdig, ob der Kosovokrieg gerechtfertigt war. Mein Problem ist ja an dieser Stelle genau das der fehlenden Aufarbeitung. Zweifler bezweifeln die sogenannte "Faktenlage" und andere beziehen sich auf genau diese. Dann fassen sich alle an den Kopf, wie die andere Seite nur so grausam nixblickend Anklage erheben kann/konnte.
da war der zeitpunkt gekommen ohne rücksicht auf verluste die tornadas fliegen zu lassen mit grausamster härte. was wäre da allen erspart geblieben. Lassen sie doch die Provokation weg, ich verstehe was sie meinen. (Falls das keine bewusste Provokation war: es sollte immer Rücksicht auf Verluste genommen werden, alles andere ist unmenschlich).
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picker zitterwolf
machen se mal halblang, ja. "Ich könnte mir auch vorstellen", heisst nicht, das ist die wirklichkeit, heisst nicht, ich weiss es sicher. also, erst lesen, den konjunktiv beachten und dann stänkern.
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mama ich erinnere an einen vorfall der blauhelmtruppen:
es waren engländer und die aus pale waren ma wieder in sachen säuberung unterwegs. der englische truppenteil hielt sich nicht an die perversen vorschriften und sie ballerten mit ihren panzern los und was war?
die kriegsherren schissen sich in die hose und zogen sich zurück.
der krieg hätte im keim erstickt werden können.
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Klar, man kann auch die Welt sprengen, dann wird es auch keinen Krieg geben. Der Punkt ist: Geschlafen wurde vor dem Krieg, sonst hätte es ihn nicht gegeben. Mir geht es darum zu erfahren, wie es zu was kommen konnte.
Sie haben doch eben selbst das Verallgemeinern angeprangert, liefern aber reichlich allgemeingültige Lösungen. Hmm.
Ich muss jetzt schlafen.
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wie es zu sowas kommen konnte:
da müsste man bei tito anfangen. dann nach seinem tod die alten geister auferstehen lassen. das würde ja hier jezz seiten füllen ist aber die vorgabe für srebrenica.
ein radikales eingreifen der nato hätte den schneeballeffekt verhindert mit wesentlich geringeren mitteln und das schlimme ist: es wusste jeder
da is die kritik anzusetzen..
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Das ist eine Möglichkeit. Aber es könnte ja durchaus sein, dass die Natotruppen in Kampfhandlungen hineingezogen worden wären. Oder der ganze Scheiß wäre später losgebrochen.
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natürlich hätte es massive kampfhandlungen gegeben,
die aber den schneeballeffekt radikal aufgehalten hätten.
der grund für das zögern bis zum vollzogenem elend in bosnien war die proserbische russlandpolitik und russland war für die natostaaten halt wichtiger.
erst nach demr irrsinn im kosovo war die russische einflussphäre verhandelbar.
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interessant wäre es schon an dem punkt, wo mit der "kosovofrage" argumentiert wird, die eigentlich eine verlängerung der "balkanfrage" ist. diese region ist mindestens seit beginn des 20. jahrhunderts den konstruktionen (nicht nur) des westens unterworfen. sicher wurde nach dem 2. weltkrieg unter tito vieles falsch angefaßt, wurden im interesse eines multiethnischen staats die erinnerungen an vorhergehende ethnische konflikte unterdrückt, die so im oralen untergrund weiterlebten und nach dem scheinbaren bankrott der ideen, auf die sich die länder des ostblocks gründeten, wie untote an die oberfläche kamen: jeder staat braucht ein erklärungsmodell. das problem bei der berichterstattung über den "kosovo-konflikt" im westen bestand aber (wie immer?) auch darin, daß krieg als relativ isoliert wahrgenommen wurde und eben nicht als folge von politischen entwicklungen, in denen die eu keine unbedeutende rolle spielte: z.b. anfang der 90er durch die anerkennung ethnischer nationalstaaten nach dem zusammenbruch jugoslawiens (slowenien, kroatien), aber dem beschluß, bosnien hingegen nicht zu teilen. einerseits wurden also ethnische ansprüche auf territorien anerkannt, andererseits wurde nicht die konsequenz für bosnien daraus gezogen, wo das gemischte zusammenleben dreier volksgruppen gegenüber den nationalistischen tänzen der umliegenden neuen (sich als "alte" phantasierenden) staaten kaum argumente finden konnte. und nach bosnien war der kosovo dran. was da passierte, war nun tatsächlich nicht neu, und um zu verbergen, daß internationale politik mindestens versagt hatte, die sich abzeichnende entwicklung mit der erinnerung an die unaufgearbeiteten gegenseitigen "säuberungen" während ww2 zu verhindern, falls es nicht vielleicht auch bestimmte interessen gab, sie zu befördern, wurde das ganze als konflikt präsentiert, der irgendwie "schon immer" zu einer bestimmten region gehörte, und damit wurden die problematischen konstruktionen, die ihn verursachten, weiter befördert und an die region zurückgegeben.
so wie russland eine geschichtliche verbindung zu serbien hatte, hatte ja z.b. deutschland eine nicht unproblematische zu kroatien. gemäß den interesselagen der weltpolitik waren dann die aktionen der kroatischen armee in der krajina 95 z.b. keine "ethnischen säuberungen", die aktionen von serbischer seite hingegen schon. und mit der gleichsetzung dieses begriffs der "säuberung" mit "genozid" konnte man nicht viel mehr als emotional argumentieren, es war ein marker. über minderheitenschutz ließ sich nicht mehr reden (in der logik eines ethnischen nationalstaats sowieso immer schon ein problem, keine selbstverständlichkeit), und nachdem man das versäumt hatte, indem man eine rasche anerkennungspolitik vorzog, konnte man nur noch die bösen und die guten und eine binnenlogik konstruieren, um ein eingreifen gegenüber den eigenen bürgern rechtfertigen zu können, ohne das gesicht zu verlieren. vor dem verschleppen eines "radikalen eingreifens" der nato lag eben das versagen europäischer politik beim verhindern dieses krieges (wenn es denn ein "versagen" war und kein kalkül). wir hatten ja schon fast vergessen, daß an krieg in der regel ein politisches interesse besteht, dagegen ist auch die "demokratie" nicht immuner als andere staatsformen. und daß er sich immer als naturkatastrophe tarnt, als unausweichlichkeit. man "muß eingreifen", nachdem man die gründe für dieses "muß" selbst mit herbeigeführt (oder erfunden) hat.
aber ich red nur ins blaue hinein und verfehle vielleicht das thema.
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"hatte ja z.b. deutschland eine nicht unproblematische zu kroatien"
das is mit russischen interessenphären nicht vergleichbar, das is ein geschichtsmyhtos, das hat keine rolle gespielt deutschland is keine weltmacht und dann das erschrecken über die folgen in der krajina, wo noch nachwirkt beim fussball oder handball.
das war ein schlag in die magengrube für den herrn genscher und das wird besser verschwiegen. ironisch
ihre kritik teile ich sonst voll und ganz.
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Vielen dank für den ausführlichen Kommentar isore, mit etwas mehr Zeit&Ruhe als jetzt gerade mach ich mir nochmal Gedanken.
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kommentare
Ich glaube, wir haben das jetzt beide gemacht.
gHack, 22.06.21, 11:33
20jahre.antville.org
tobi, 22.06.21, 09:35
Ja klar!
Mama, 22.06.21, 08:10
danke für den schönen text. darf ich den auf 20jahre verlinken?
tobi, 22.06.21, 06:28
Ist das sowas wie i-mode?
Mama, 29.05.14, 00:00
Internet kann man ja neuerdings mitnehmen. Dass WAP sich doch durchsetzen würde...?!
fernsehratgeber, 20.05.14, 21:43
musik