Wolf Singer - Wahrnehmen, Erinnern, Vergessen (PDF)Erinnerung ist also für die gleichen Deformationsprozesse anfällig wie die Primärwahrnehmung selbst. Ich meine damit noch nicht das Vergessen, das dem "Nicht-Wahrnehmen" vergleichbar ist, sondern die Fehler, die beim Rekonstruktionsprozeß des Erinnerns unterlaufen können. Die Freiheitsgrade für die synthetischen Bemühungen des inneren Auges sind beträchtlich. Es stehen keine äußeren Zeitmarken zur Verfügung für die Reihung von Ereignissen. Auch kann unvollkommen Wahrgenommenes nicht durch nochmaliges Hinschauen ergänzt werden. Und so nimmt nicht wunder, daß beim Erinnern nur schwer zu trennen ist, welche Inhalte und vor allem welche Bezüge zwischen denselben bereits im Zuge des Wahrnehmungsaktes abgespeichert wurden und welche erst beim Auslesen und Rekonstruiren definiert oder gar hinzugefügt wurden. [...] Wenn Erinnern immer auch einhergeht mit Neu-Einschreiben, dann muß die Möglichkeit in Betracht gezogen werden, daß bei diesem erneuten Konsolidierungsprozeß auch der Kontext, in dem die Erinnerung stattfand, mitgeschrieben und der ursprünglichen Erinnerung beigefügt wird. Es ist dann nicht auszuschließen, daß die alte Erinnerung dabei in neue Zusammenhänge eingebettet und damit aktiv verändert wird. Sollte dies zutreffen, dann wäre Erinnern auch immer mit einer Aktualisierung der Perspektive verbunden, aus der die erinnerten Inhalte wahrgenommen werden. Die ursprüngliche Perspektive wurde überformt und verändert durch all die weiteren Erfahrungen, die der Beobachter seit der Ersterfahrung gemacht hat. Was schon für die Mechanismen der Wahrnehmung zutraf, scheint also in noch weit stärkerem Maß für die Mechanismen des Erinnerns zu gelten.
vor ein paar tagen gabs auch auf 3sat mit herr scobel und drei anderen sone diskussion darum. hirnforscher, sozialpsychologe und der von mir sehr geschätzte jan assmann, vom hause her ägyptologe, vielschreiber und in zig projekten über das "kulturelle gedächtnis" verbandelt.
zwar war das nur mäßig interessant, weil dann in so fernsehhäppchen doch relativ oberflächlich bleibend, zweifellos aber ein spannendes thema (und wird ja auch künstlerisch gerne rangenommen).
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Ich kenne mich da kaum aus, muss mich aber momentan für eine Prüfung auch ein wenig reinlesen. Sehr interessant auf jeden Fall, ja. Vor allem wenn man das dann konsequent weiterdenkt und sich überlegt, was das für "kollektive Erinnerungen" bedeuten könnte.
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kommentare
Ich glaube, wir haben das jetzt beide gemacht.
gHack, 22.06.21, 11:33
20jahre.antville.org
tobi, 22.06.21, 09:35
Ja klar!
Mama, 22.06.21, 08:10
danke für den schönen text. darf ich den auf 20jahre verlinken?
tobi, 22.06.21, 06:28
Ist das sowas wie i-mode?
Mama, 29.05.14, 00:00
Internet kann man ja neuerdings mitnehmen. Dass WAP sich doch durchsetzen würde...?!
fernsehratgeber, 20.05.14, 21:43
musik