Auf einer Ihrer Diskussionsveranstaltungen in der saarländischen Provinz sagte eine besorgte Mutter, sie wolle nicht zusehen, wie ihr Sohn zu menschenverachtenden Texten tanzt. Sollte die Mutter gelassener reagieren?

Diskussionsveranstaltungen zu dem Thema enden oft damit, dass eine Mutter oder ein Vater auftreten, die ihre Kinder vor »menschenverachtenden Texten« retten wollen. Mir fällt es oft schwer, ihnen nicht zu misstrauen. Die Dramaturgie ist einfach verdächtig. Der herzensgute Junge ohne einen bösen Gedanken wird von bösen Mäch­ten zu menschenverachtenden Tänzen animiert. Dabei weigert sich die Dame, nur eine Sekunde darüber nachzudenken, warum gerade ihr lieber Sohn Lust auf Menschenverachtung hat.

Und warum?

Naja, das wirklich nahe Liegende erwähnt diese Frau nicht: die tägliche Dressur ihres Jungen für eine Konkurrenzgesellschaft, in der der Sieg über die Konkurrenten oder gar der Wunsch nach deren Beseitigung und die Angst, selbst aus dem Weg geräumt zu werden, die Gedanken und Träume beherrscht. Diese Aggressivität wird in der Zivilisation meist schon im vorpolitischen Raum, also kulturell aus­agiert. Ganz vereinfacht gesagt: Es ist reak­tionär, die Ressentiments verbieten zu wollen, mit denen auf die Kluft zwischen Arm und Reich reagiert wird, und zu der Kluft selbst zu schweigen. Was bitte sagt denn diese Mutter dazu, dass in einer flächen­deckend mit Pornos ausgestatteten Gesellschaft ein Skandal entsteht, wenn Janet Jackson für fünf Sekunden ihren Busen zeigt? Da könnte sie sich fragen: Hat diese Heuchelei meinen Sohn zum – affirmativen – Klartext-Fan gemacht, also zum Bushido-Anhänger? Wieso können homophobe, sexistische, frauenfeindliche Rapper überhaupt tausende Jugendliche mobilisieren? Ist das denn nicht eine Folge des Backlashs nach ­libertären Versuchen?

Gibt es antiaufklärerische Entwicklungen in unserer Gesellschaft?

Es passieren hier Dinge parallel, die man nicht sofort versteht: Junge Leute hören Bushido und wollen zugleich in Weiß heiraten. Offensichtlich passt das zusammen. Die repressive Sexuali­tät in Bushido-Texten geht einher mit einem »Ich lass auf Mutter nichts kom­men, heirate in Weiß und geh’ zum Papstbesuch«.

Jungle World: Feindbild Bushido

Hat mich auch immer schon gewundert, warum Reporter bei Interviews nie Bushido und Co. danach Fragen, ob sie ihre Mütter eigentlich auch als Frauen sehen und wie sie es denn finden, dieses Frauenbild welches sie da von ihrer Mutter haben. Wenn da jemand zufällig mal ein gutes Interview mit einem der üblichen Verdächtigen gelesen hat, dann bitte her damit.

In der Intro haben sie es mal versucht, Kool Savas bei einem Interview gründlich wegen seiner homophoben Texte und besonders wegen "schwul" als Schimpfwort auszufragen, aber das wirkte dann irgendwie doch auch ein wenig hilflos. Weil: das spielt sich ja doch wieder nur vor Intro-Publikum ab, so ein Interview.

 
sach selber was   von Mama
 
LaTaiga, 18. Januar 2006 um 22:02:44 MEZ

es gibt keine falsche musik. es gibt nur das falsche umfeld.

... link  

 
Mama, 19. Januar 2006 um 00:13:51 MEZ

Manchmal schafft Musik Umfeld.

... link  


... comment