In Kreuzberg

Erst waren wir am Montag bei den Dropkick Murphys, einer Punktruppe aus Boston. Mit starkem irischen Einschlag dank Dudelsack und Flöte rockten sie fröhlich die Hütte nieder. Plump, laut, neben den Tönen - mit anderen Worten: Ich hab endlich mal wieder ein pralles Punkkonzert erlebt. Davor war noch eine andere Gruppe dran, die waren aber so schlecht, dass ich mir nicht mal den Namen gemerkt habe. Danach fragt dann in der völlig leeren Bar eine der beiden jungen Frauen als wir den Raum betreten in Richtung DJ:"Hey DJ, gibts hier auch noch Musik oder nur noch Töne?" - ich weiss sofort, dass ich hier richtig bin und freue mich auf experimentelles Elektrozeuchs. Der nächste DJ greift aber dann doch eher in die konventionelle House-Kiste, zwar nicht schlecht, aber gehen find ich nach einem Bier dann schon OK. Auf dem Weg zur U-Bahn entscheiden wir uns noch schnell in eine kleine etwas abstrus anmutende Bar zu gehen. Ein extremer Räucherstäbchengeruch weht uns beim öffnen der Tür entgegen. Drei verlorene Gestalten hängen angeschlagen vor der Bar, eine noch angeschlagener dahinter. Wir entschliessen uns für Flensburger bzw Kirschsaft. In der Ecke steht auf einem Podest eine Art Altar, dahinter ein thronartiger Stuhl, auf dem Tisch ein großer Helm. Der Bartyp muss den Kirschsaft erst holen. Als er wiederkommt fragt er dreimal, ob er Eis hinein tun soll. Jedesmal "Ja, bitte". Er bringt schliesslich den Saft und das Bier. "Soll ich euch einen Deckel schreiben?" - "Nee, wir merken uns das schon". Ist OK. Nach kurzem Sinnieren, was denn der Altar zu bedeuten hat, betritt auch schon ein neuer Akteur das Spielfeld: Ein auch schon etwas angeschlagener Typ mit langen filzigen Rastas kommt hinein. Als erstes geht er zum Altar, klopft zweimal gegen den Helm. Dann geht er zur Bar, begrüsst die Leute fragt sie irgendwas und kommt dann zu uns. Er hat einen Brotkorb dabei. "Wollt ihr Space-Kekse kaufen?" - "Nein danke" - "OK, tschüss". Er klopft zweimal hochachtungsvoll gegen den Helm und geht weiter. Nach einer kurzen Zeit sucht uns auch noch eine weibliche Udo Lindenberg - Doppelgängerin auf. Vielleicht nicht Doppelgängerin, aber man könnte meinen Udo hätte sich umoperieren lassen, so spricht die. Und auch son Hut. "Hast du heute noch was vor?" fragt sie T. "Ja." - "Na dann haben wir ja was gemeinsam". Sie erzählt uns irgendwelchen Vollstuss, ist ziemlich breit. Nach drei Minuten muss sie dann doch weiter aufs Klo. Wir trinken unsere Getränke aus und entschließen uns, jetzt den Nachtbus suchen zu gehen. Beim bezahlen kommt die Lindenberg und fragt mich ob ich eine Uhr hätte. Hab ich nicht. "Super! Find ich gut! Ich hab diesen Zeit-Scheiss auch mit 16 aufgegeben. Diese scheiss Zeit ist doch nur so eine doofe Erfindung von den Menschen..." - "Ich finde Erfindungen von Menschen aber gut" - sie springt nicht drauf an, setzt zu einem Höhenflug im schwadronieren gegen die Zeit an. Aber wir wollen lieber zum Bus. Da wartet auch schon der Keksmann. Er ist wohl noch ein paar Kekse losgeworden scheint es, denn er sieht glücklich aus. Vielleicht hat er sie aber auch nur selbst gegessen. Im Bus versuchen auf der Heimfahrt zusammengenommen sechs Leute schwarz zu fahren, aber das läuft nicht mit der Frau Busfahrerin. "Schönen juten Abend da hinten, ab zwanzich Uhr bejrüss Ick meene Fahrjäste gern persönlich". Sie bleibt stehen. Die Leute haben ein einsehen, zeigen ihre Tickets, kaufen welche. An einer Haltestelle steigen drei Jugendliche wieder aus. "Wir wollen doch nur Party machen! Sie kriegen wohl nicht genug Sex von ihrem Mann!" - "Na wenn sie ditt meinen..."

 
sach selber was   von Mama
 
Bosche, 30. April 2003 um 14:53:07 MESZ

Der Helm aus Leder...

Auch Frau Lindenberg klopfte, einem Ritual gleich, gegen den Helm, bevor sie uns über die Bilder an der Wand und die gaaaanz begabte Künstlerin informiert.

Super gut Deine Geschichten, auch die von der Zugfahrt war genial. Kurzgeschichtenwettbewerb - das wärs! Vielleicht wirst Du ja auch noch als Schriftsteller berühmt. Soll ja schon mal einem Berliner in unserem Alter passiert sein....

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Mama, 30. April 2003 um 18:55:37 MESZ

Nee, zum Schriftsteller taug ich nicht viel, da schreib ich viel zu langsam für. Und Geschichten ausdenken ist auch nicht so meine Stärke. Das erlebte wieder geben, das bekomme ich gerade noch auf die Reihe. Ich müsste nur noch mal mehr erleben ;)

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