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Die neue Werbung braucht Musik wie der Kaiser neue Kleider. Dazwischen stehen Tonstudios und Komponisten. Die äußern sich genervt über laienhafte Anweisungen und den berüchtigten Art Direktor, der gern in sein eigenes CD-Regal greift und Massive Attack, Moby oder De-Phazz rausholt. „Die Ansage, so was wie Massive Attack, hat sich mir schon ins Ohr gemeißelt“, sagt Olaf Weitzl, ein Geschäftsführer des Audio Networks Hastings (Deutsche Post, Fila, Audi). Oder der Werber stellt sich beim Pitch vor den Kunden und singt „Bahlsen, Bahlsen“ zur Melodie des Commodores-Hits „Nightshift“, wie einst der Ex-Springer-&-Jacoby-Kreative Carsten Heintzsch. Der Kunde kaufte die Idee, aber der Song war nicht zu haben. Dann müssen Studiomusiker eine Dublette produzieren. Oft spricht man nicht mal dieselbe Sprache. „Da stellt man Ton-Layouts vor, und der Kunde fordert: moderner. Ja, was? Strawinsky? Oder wie?“, mokiert sich der ausgebildete Jazzmusiker Weitzl.

Artikel in der Brand Eins. Ich kann mir gut vorstellen dass es sowohl für die beteiligten Werber wie auch für die Beteiligten Musiker eine ziemliche Qual sein kann. Das liegt vermutlich an der beiderseitig falsch verstandenen Rolle, in der man sich sieht. Die Werbefilmdreher halten sich irgendwie ja wahrscheinlich doch für Regiesseure, Künstler, die eigentlich zu höherem Berufen sind. Und guten Geschmack haben natürlich. Da kommt dann so ein komischer Musiker daher von dem sie noch nie etwas gehört haben und spielt denen ein dämliches Sound Logo vor, welches ganz und gar nicht wie Massive Attack klingt. Sie sehen ihre schöne Kreativarbeit verhunzt durch schlechte Musik, sehen sich die Kontrolle über ihren Film verlieren, obwohl doch im Kopf die Aufblende so schön harmonierte mit den ersten Takten von Man Next Door. Sonst passt es doch alles nicht zusammen und schon gar nicht zum Kunden.

Der Musiker hat diese Werbefuzzis sowieso noch nie gemocht, er hat ja schließlich nicht umsonst studiert, versteht was von Kunst. Massive Attack! Ja, schon nicht schlecht, aber wir haben doch nicht mehr 1992! Diese Schnösel, die da kommen und nicht die geringste Ahnung haben, was heute wirklich gute Musik ist. Es muss doch zur Stimmung passen, eine prägnante Melodie, schön aber doch nicht kitschig, dezent aber direkt die Widerhaken im Gehirn. Wie die Moldau und Blue Train zugleich.

Was beide verkennen könnten: Keiner von beiden macht Kunst. Hier wird Werbung gemacht. Eine Dienstleistung erbracht. Der Kunde kann sich nicht aussuchen, ob er den Spot und die Melodie überhaupt ins Hirn gehämmert bekommen möchte. Aber diese Verantwortung gegenüber dem kollektiven guten Geschmack (haha!), wird die dort draußen von irgendwem wahrgenommen? Das Problem: Selbst wenn, am Ende entscheiden doch wieder irgendwelche Marketingtrottel aus dem Grosskonzern.

 
sach selber was   von Mama