Alle aus dem Lateinischen hervorgegangenen Sprachen bilden das Wort Mitgefühl aus der Vorsilbe com- und dem Wort, das ursprünglich "Leiden" bedeutete: passio. Andere Sprachen, so das Tschechische, das Polnische und das Schwedische, drücken diesen Begriff durch ein Substantiv aus, das aus der Vorsilbe Mit- und dem Wort "Gefühl" besteht (tschechisch sou-cit, polnisch wspol-uczucie, schwedisch medkänsla). In den aus dem Lateinischen hervorgegangen Sprachen bedeutet das Wort compassio: wir können nicht herzlos den Leiden eines anderen zuschauen; oder: wir nehmen Anteil am Leid des anderen. Aus einem anderen Wort mit ungefähr derselben Bedeutung (französisch pité, englisch pity, italienisch pietà usw.) schwingt sogar unterschwellig so etwas wie Nachsicht dem Leidenden gegenüber mit:"Avoir de la pitié pour une femme" heißt, dass wir besser dran sind als diese Frau, uns zu ihr hinabneigen, uns herablassen. Aus diesem Grund erweckt das Wort Mitleid Misstrauen: es bezeichnet ein schlechtes Gefühl, das als zweitrangig empfunden wird und nicht viel mit Liebe zu tun hat. Jemanden aus Mitleid zu lieben heißt, ihn nicht wirklich zu lieben. In den Sprachen, die das Wort nicht aus der Wurzel "Leiden", sondern aus dem Substantiv "Gefühl" bilden, wird es ungefähr in demselben Sinn gebraucht; man kann aber nicht behaupten, es bezeichne ein zweitrangiges, schlechtes Gefühl. Die geheime Macht seiner Etymologie lässt das Wort in einem anderen Licht erscheinen, gibt ihm eine umfassendere Bedeutung: Mit-Gefühl haben bedeutet, das Unglück des anderen mitzuerleben, genausogut aber jedes andere Gefühl mitempfinden zu können: Freude, Angst, Glück und Schmerz. Dieses Mitgefühl (im Sinne von soucit, wspoluczucie, medkänsla) bezeichnet also den höchsten Grad der gefühlsmäßigen Vorstellungskraft, die Kunst der Gefühlstelepathie; in der Hierarchie der Gefühle ist es das höchste aller Gefühle.

Aus "Milan Kundera – Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins"

 
sach selber was   von Mama
 
godany, 12. Mai 2004 um 21:26:19 MESZ

sehr feines buch. und den film dann dreimal im kino angesehen. einmal, weil ich dachte: quatsch, das buch kann man nicht verfilmen und dann noch zweimal wegen daniel day-lewis ;-)

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Mama, 12. Mai 2004 um 23:20:30 MESZ

Film habe ich gar nicht gesehen, kann ich mir jetzt auch erstmal nur schwer vorstellen. Das Buch mochte ich aber auch sehr.

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fernsehratgeber, 13. Mai 2004 um 17:15:47 MESZ

witzig. auch gerade gelesen. nicht bebloggt, weil wegen viereuroneunzig. merkwürdig, welche schranken man sich auferlegt. dass billigaktionen ein produkt banalisieren. dabei tun sie das doch gar nicht.

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noelscheich, 13. Mai 2004 um 17:38:34 MESZ

das ist (war anfangs?) sogar umsonst bei der sz zu bestellen.

übrigens interessant, wie viele menschen sich aufgrund des netten einbandes, der guten zusammenstellung, ein wenig werbung und des feinen preises, dazu durchringen, etwas zu lesen das ohnehin gut ist. obwohl die bücher doch allesamt bekannt, verfügbar und mit etwas aufwand schon vorher günstig zu erwerben waren. ist eben bequem so, attraktiv und ein anstoss es zu tun.

(das spräche ja auch ein wenig gegen die regelmässig geäusserte angst der inhalteindustrie vor illegalem download.)

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Mama, 13. Mai 2004 um 19:13:38 MESZ

Ja, stimmt schon, dachte auch erst dran nix zu schreiben fands aber albern... kämpfe mich jetzt gerade durch "Der Untergeher" von Thomas Bernhard, will sich aber noch keine Sucht einstellen. Ich find einfach die Auswahl und Preis-Leistung extrem Stimmig bei dieser SZ-Serie. Werde mir sicher nicht alle reinziehen, aber einige sicher. Jetzt fahr ich ja täglich signifikante Zeitmengen ÖPNV, da hat man Zeit zu lesen.

Umsonst für SZ-Dauerbezieher.

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