[Gesichter der Krise] Di., 17.2.04 - Mama Neuer Rekord
Heute gesichtet: 10 Schrippen für 20 Cent. Hab mich nicht getraut sie zu kaufen. Außerdem: 10 Stück Kuchen für 3 Euro.
[Gesichter der Krise] Sa., 29.11.03 - Mama Chansonabend
Ich komme etwas zu spät am verabredeten Treffpunkt an. Dort steht T. aber schon. Direkt um die Ecke. Wir gehen zu der Bar. Etwas wundern wir uns, als wir schon am Eingang keinen Eintritt zahlen sollen. Aber T. geht sofort zielstrebig durch nach hinten. Die Künstler sind ihm bekannt. Ich gehe hinterher, vorbei an den paar Gestalten, welche mit Sicherheit schon seit ihrer Geburt in Westberlin leben. Einer von ihnen sieht so aus als würde er schon seit seiner Geburt Schultheiss trinken. Wir treffen auf den Typen, der etwas verloren alleine im Hinterraum steht. Wir sind offenbar die einzigen zahlungswilligen Gäste bisher. "Eine tote Gegend ist das hier", hmm, scheinbar. Er wechselt einige Worte mit T. über Leute die ich nicht kenne. Wir plaudern über dies und das und er erzählt, dass das ganze hier wohl heute nicht stattfinden wird. "Die machen das hier erst ab 10 Gästen". Wir sind zwei. Keine Ahnung ob von denen vorne jemand zahlendes Publikum ist. Die Barfrau kommt nach hinten. T. fragt, wie es denn sonst so hier ist. "Da muss man wohl auf beiden Seiten die Schuld eingestehen!" - ? - "Wenn sie keine Werbung machen und ich nicht genug, dann kommt auch niemand. Aber wir müssen davon leben, so ist das in der Kleinkunst". Von uns kann niemand so recht was antworten. Ich erbarme mich:"Das war doch nicht als Vorwurf gemeint...", aber nichts zieht. Hier wird heute abend kein Frieden geschlossen. T. fragt, ob denn hier heute noch gesungen wird. Sofort blockt die Barfrau ab. "Erst ab zehn Leuten".
C., die Sängerin, kommt von hinten aus dem Umkleideraum. "Du hast dich ja schon wieder umgezogen". Ja, hat sie wohl. Ich schaue zum ersten mal heute abend auf mein Handy und überlege schon an Ausweichplänen. Langsam werde ich auch hungrig. Aber hier ist es noch interessanter. C. hat vorne irgendwen entdeckt, nutzt direkt die Chance nochmals vor der Bar zu demonstrieren, dass sie hier gerne gesungen hätte. "Schade, dass du gerade heute kommen musstest...". Der Klavierspieler fragt uns, was wir denn so tun. Wir erzählen ihm, dass wir Wirtschaftsingenieurwesen studieren. Das findet er super. Ja, denke ich, dachte ich mir, dass du das super findest. Er ordnet uns zunächst als Techniker ein, versteht später dann aber - nach zahlreichen Erklärungen von T. über die nützlichkeit von Wirtschaftsingenieuren - wozu wir wirklich gut sind. T. erklärt, dass ich was mit Informations- und Kommunikationssystemen mache. "Ahh, Nullen und Einsen". Genau. Er redet immer wieder von Buddhismus, dann wieder davon dass er schon zehn Schönheitsoperationen hinter sich hat, von den Rentnern vor denen er gestern gespielt hat. Er erklärt uns, dass es ihm völlig egal ist was er macht, hauptsache die Masse des Publikums stimmt. Irgendwann kommt er auf die Lage des Landes zu sprechen. "Das Problem ist, dass hier immer alle mitgezogen werden. Oder etwa nicht?" - "Das sehe ich anders". Er sieht mich fragend an. Ich erkläre, dass manchen Leuten durchaus geholfen werden muss, dass mancher einfach nicht alleine kann. Er erzählt, dass er früher immer so ein Spinner war, einer, der nie Auto gefahren ist, einer der zuerst total links war, dann total rechts, hauptsache nicht normal. Er habe so komische Vorstellungen von Spiessigkeit gehabt, habe mit Künstlern zusammen gewohnt, freie Liebe und so, er wäre immer so total der Klassiktyp gewesen, aber jetzt macht er Dinge, mit denen er mehr Publikum erreichen kann. "Hauptsache Masse, man muss die Leute erreichen. Sowas wie heute hier, nee, das muss ich mal hinter mir lassen. Schlager. Die Alten. Da stecken in den nächsten Jahren zig Milliarden Potential drin". Dann sinniert er noch drüber, welchen Künstlernamen er sich wohl zulegen sollte. Ich habe leider seinen Namen schon wieder vergessen. Er nennt ein paar Namen, bei einem hält er kurz inne, sieht uns an und fragt:"Zu jüdisch?"
Ich bin froh, als wir endlich abhauen. Ich habe ihm immerhin die Hälfte geglaubt von dem Zeug was er so von sich gegeben hat. Mehr zu glauben hätte ich nicht ertragen.
[Gesichter der Krise] Mi., 12.11.03 - Mama Heute bei Aldi

Irgendwie muss man ja satt werden. Sie kaufte nichts anderes, die Frau.
[Gesichter der Krise] Mo., 10.11.03 - Mama
kommentare
Ich glaube, wir haben das jetzt beide gemacht.
gHack, 22.06.21, 11:33
20jahre.antville.org
tobi, 22.06.21, 09:35
Ja klar!
Mama, 22.06.21, 08:10
danke für den schönen text. darf ich den auf 20jahre verlinken?
tobi, 22.06.21, 06:28
Ist das sowas wie i-mode?
Mama, 29.05.14, 00:00
Internet kann man ja neuerdings mitnehmen. Dass WAP sich doch durchsetzen würde...?!
fernsehratgeber, 20.05.14, 21:43
musik